Augustiner Chorherrenstift
KLOSTERFÜHRUNGEN 2024 in und um die Stiftskirche, Entstehungsgeschichte von Öhningen
Gabriele Mamier, leidenschaftliche Kennerin des Klostergeländes führt durch das Areal des ehemaligen Augustiner Chorherrenstifts Öhningen.
23.05. 20.06. 25.07. 08.08. 15.08. 29.08. 19.09. jeweils um 10:30 Uhr, Dauer ca. 2 Std
Kosten 10 €, mit der BodenseeCard West 5 €
Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift in Öhningen liegt an prominenter Stelle in einer bemerkenswerten Kultur- und Naturlandschaft zwischen Schienerberg und Untersee auf der Halbinsel Höri. Die Stiftsgründung erfolgte bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Einer Urkunde von Friedrich Barbarossa vom 27. November 1155 ist erstmals zu entnehmen, dass der Kaiser „die Propstei Öhningen“, die Kraft Erbrecht auf ihn gekommen war, der Kirche von Konstanz übertragen hat. Bei allen anderen bisher zitierten Urkunden von Kaiser Otto I. aus dem Jahre 965 und von Friedrich Barbarossa aus dem Jahre 1166 ist inzwischen nachgewiesen, dass es sich um Fälschungen handelt.
Die imposanten mittelalterlichen Konventgebäude umschließen mit der Kirche den Kreuzhof. Trotz zahlreicher Umbauphasen sind in diesen Gebäuden wesentliche Bauteile der verschiedenen Bauphasen von der Spätromanik bis zur Barockzeit erhalten. Diese sind von hohem geschichtlichem Zeugniswert und bilden ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung.
Drei Pröpste führten in der Zeit von 1431 bis 1519 eine Gesamterneuerung durch, die die Stiftsgebäude noch heute ganz entscheidend prägt. So wurde z.B. der gemeinsame ungeteilte Schlafsaal (heute Sakristei) aufgegeben. Die Chorherren erhielten von nun an je ein großes beheiztes Studierzimmer mit angrenzendem Schlafraum. Eine weitere entscheidende Veränderung erfolgte durch die Verlegung des Konventsaales vom Erdgeschoss des nordöstlichen Flügels (Propstei) in das erste Obergeschoss des nordwestlichen Gebäudes (Stammhaus). Der über vierzehn Meter lange und sechs Meter breite spätgotische Saal wird über drei, jeweils von tiefen Rundbogennischen überspannten – sogenannten - Vorhangfenstern, belichtet. Über dem Konventsaal entstand ein zusätzliches Geschoss, um die Räume für Propst, Dekan und einen weiteren Chorherren einzurichten.
Knapp ein Jahrhundert später wurden von 1604 bis 1626 weitere Baumaßnahmen unter dem Konstanzer Bischof Jakob Fugger von Kirchberg durchgeführt. Er baute die Kirche um und ließ den Kirchturm neu errichten. Im Probsteigebäude veranlasste er 1617 die Einwölbung des ehemaligen Konventsaals und der darüber liegenden Sakristei sowie die Erhöhung des Gebäudes um ein zusätzliches Geschoss. In dieser sogenannten Bischofsetage waren zwei Zimmer für den Fürstbischof, zwei weitere Zimmer für seinen Sekretär, ein Empfangszimmer und das Oratorium eingebaut.
Durch die Aufnahme von weiteren Novizen vergrößerte sich der Konvent, was zwangsläufig zu neuen Baumaßnahmen führte. Der Zwischenbau des Südflügels wurde 1686 deshalb um ein neues Geschoss erhöht, um dort den Chorherren zusätzliche Arbeits- und Schlafzimmer zu schaffen. Weitere Raumnot zwang letztlich 1732/33 zur Aufstockung der westlich an den Kreuzhof angrenzenden Torkel. Nach Abschluss der Arbeiten konnten dort eine größere Bibliothek und vier Krankenzimmer vom Propsteigebäude in das neugeschaffene Obergeschoss verlegt werden.
- Stiftskirche
- Propstei
- sog. Pfarrhaus
- Stammhaus
- Torkel mit Bibliothek im OG
- Küferhaus
- Totenbruderschaftskapelle
- Rathaus
- Torwächterhaus
- Bäckerei
- Gesindehaus
- Toreinfahrt
- Remise
- Gästehaus
- kleiner Obstgarten
- Renaissance Garten
- großer Obstgarten
- Amts- und Wohnhaus
Aus der Barockzeit sind hier, im Gegensatz zu vielen anderen Augustiner Chorherrenstiften, keine weiteren Um- oder Neubauten belegt. Nur der Staffelgiebel auf der Südseite des Propsteigebäudes musste – höchstwahrscheinlich nicht aus formalen, sondern aus statischen Gründen – abgebrochen und durch einen Walm ersetzt werden. In dieser Zeit beschränkte man sich in Öhningen entsprechend dem Zeitgeist im Wesentlichen auf die Verschönerung der Innenräume von Kirche und Konvent.
Ein besonders gelungenes Beispiel barocker Raumdekoration ist im Konventsaal erhalten. Die vorgegebene Raumarchitektur der befensterten Südseite wurde 1747 an den anderen Wänden durch Stuckrahmen wiederholt. Eine in leichten, zarten Farben gefasste Wand- und Deckenstuckierung in hoher Qualität zeichnen diesen wertvollen Raum aus.
Am 1. April 1805 wurde das Augustiner-Chorherrenstift aufgelöst. Der Markgraf Karl Friedrich von Baden und Hochberg war nunmehr alleiniger Eigentümer des Stifts. Die Pfarrei Öhningen erhielt von ihm das Nutzungsrecht für die Kirche, die Hälfte der Sakristei und drei Wohnungen für Pfarrer und zwei Kapläne zugesprochen. Mit Ausnahme der Kellerräume für - die Aufbewahrung der Weinvorräte - sah die markgräfliche Verwaltung keine Verwendung für die leerstehenden Konventgebäude. Da aber die Gemeinde Öhningen im alten Rathaus an der Schiener Straße einen zusätzlichen Schulraum mit Lehrerwohnung schaffen sollte, bemühte sich Bürgermeister Duttle um den Erwerb des leerstehenden Propsteigebäudes. Nach langwierigen Verhandlungen konnte der Kaufvertrag 1832 unterschrieben werden. Die Gemeinde richtete dann im Erdgeschoss (im alten Konventsaal) einen Abstellraum für den Spritzenwagen der Feuerwehr und auf der südlichen Seite eine Lehrerwohnung und ein Klassenzimmer ein. Der Kreuzhof musste vergrößert werden, damit hier ein geräumiger Pausen- und Turnhof entstehen konnte. Dafür wurden der nördliche Kreuzgang und das darüber liegende ehemalige spätromanische Seitenschiff abgebrochen. Im ersten Obergeschoss, im Bereich des ehemaligen Winterrefektoriums, entstand ein großes Klassenzimmer für den Oberlehrer, der in der früheren Bibliothek seine Dienstwohnung einrichten konnte. Im zweiten Obergeschoss fanden die Diensträume der Gemeinde und eine Arrestzelle Platz. Das dritte Obergeschoss blieb zunächst ungenutzt.
Im Jahr 1885 erfolgten durch den Austausch der Nutzungsebenen weitere tiefgreifende bauliche Veränderungen, die sich verheerend auf das Gesamtgefüge des Propsteigebäudes auswirkten. Die Gemeinde zog mit den Verwaltungsräumen ins Erdgeschoss und baute im nordöstlichen Kreuzgang eine Arrestzelle ein. Im ersten Obergeschoss wurden alle historischen tragenden Wände (Nord-Süd und Ost-West) abgebrochen, um zwei rechteckige großzügige Klassenzimmer herzustellen.
Nach Auszug von Schule, der Gemeindeverwaltung und nach Aufgabe der Lehrerwohnungen entschlossen sich 2010 Bürgermeister und Rat zu einer nutzungsneutralen Instandsetzung des Propsteigebäudes. Nach Abschluss dieser wichtigen Baumaßnahme wird nun eine denkmalgerechte Sanierung, Modernisierung und Restaurierung des Gebäudes durchgeführt, damit es in Zukunft öffentlich genutzt werden kann.